Brexit: Was passiert jetzt an den Märkten?

Brexit: Experten analysieren die Situation nach dem Referendum zum EU-Austritt Großbritanniens

Die Briten haben entschieden: Ja zum Brexit, Großbritannien will die Europäische Union verlassen. Welche Auswirkungen hat der Brexit auf Deutschland, was ist für Sie als Anleger jetzt wichtig zu wissen? Unsere Experten schätzen die Situation ein.

Die Analyse der genossenschaftlichen DZ Bank (Frankfurt/Main) nach dem Brexit

Die Befürworter des Brexits haben das gestrige Referendum gewonnen. Diese Entscheidung wird unseres Erachtens per Saldo langfristig negative Auswirkungen auf die britische Wirtschaft haben, wenngleich der eigentliche Austritt der Briten erst frühestens in zwei Jahren erfolgen würde. Wir gehen davon aus, dass das Wachstum in Großbritannien insbesondere von sinkenden Investitionen und Geschäftsverlagerungen im Vorfeld des EU-Austritts betroffen sein würde. Dieses würde insbesondere die Finanzindustrie und die Industrie betreffen. Auch das Wirtschaftswachstum in Deutschland und im Euroraum wird wohl in Mitleidenschaft gezogen werden. (…)

Der heutige Crash an den Aktienmärkten infolge des Brexit-Entscheids hat zu einem weltweiten Marktkapitalisierungsverlust von fünf Billionen US-Dollar geführt (DAX: minus 95 Mrd. Euro). Dies ist ein erheblicher Verlust, der der doppelten Wirtschaftsleistung Großbritanniens und 17% der Wirtschaftsleistung der G7-Staaten im Jahr 2015 entspricht. Unabhängig davon, dass der Austritt Großbritanniens mittelfristig nachtteilig für das Wirtschaftswachstum der EWU sein wird, zeigt sich in dieser Erstbewertung, dass die Reaktion der Kapitalmärkte mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich übertrieben ausfiel.

Vor dem Referendum hatten wir prognostiziert, dass der DAX im Falle des Brexits in einer ersten Reaktion zwischen fünf und zehn Prozent fallen könnte. Durch den heutigen Kursrutsch wurde dieser Bereich deutlich getroffen. Anschlussverluste bis in den Bereich von 8.000 bis 8.500 Punkten, was einem Kursrutsch von etwa 15% bis 20% gegenüber dem Schlusskurs vor dem Referendum entspräche, scheinen in Anbetracht des überraschenden Ergebnisses kurzfristig möglich. Ähnlich hohe Kursverluste (-22%) erlitt der deutsche Leitindex auch während der Krise des Europäischen Währungssystems 1992/93.

Wir erwarten, dass in den nächsten Tagen und Wochen – wie in Krisen üblich – eine enorme Volatilität an den Finanzmärkten herrschen wird, der sich auch die Aktienmärkte nicht entziehen werden können. Insbesondere der DAX dürfte (…) erneut überproportional in Mitleidenschaft gezogen werden. Ähnliches war auch während der Griechenland- oder der Ukraine-Krise zu beobachten, als der deutsche Leitindex teilweise stärker schwankte als die Länderindizes.

Langfristig entscheidend ist, welche Auswirkungen ein Brexit auf die fundamentale Entwicklung der deutschen Unternehmensgewinne hat. Wir schätzen, dass die DAX-Unternehmen 2015 direkt weniger als fünf Prozent der Umsätze in Großbritannien erzielt haben. Daher erscheint uns eine maßgebliche Reduktion (z.B. fünf oder zehn Prozent) des fairen Wertes des DAX im Falle des Brexits nicht möglich. (…) Die direkten Folgen scheinen also verkraftbar. (…)

Die ergänzende Einschätzung der Volksbank Lübecker Land zum Brexit

Die Finanzmärkte werden sich auf eine längere Periode erhöhter Unsicherheit einstellen müssen. Eine Rückkehr zum Normalzustand erwarten wir auf kurze Sicht nicht. Die stärksten Bewegungen werden wir an den Devisen- und Aktienmärkten sehen. Eine starke Auswirkung auf die Zins- und Rentenmärkte erwarten wir nicht.

In den kommenden Tagen wird es auf offizieller Seite zunächst darum gehen, die Märkte zu beruhigen. Die Notenbanken können hier einen wichtigen Beitrag leisten und dürften die vorhanden Instrumente auch nutzen, um zu starke Verwerfungen an den Finanzmärkten zu verhindern. Dies gilt für den Devisenmarkt, wie auch für den Anleihemarkt in Europa.

Wir raten Anlegern dazu, Ruhe zu bewahren und langfristig zu denken.

Sie haben Fragen zum Brexit und dessen Auswirkungen? Wenden Sie sich an Ihren persönlichen Berater der Volksbank Lübbecker Land.

Brexit VBLL

Brexit: Die Briten haben Bye-Bye zur EU gesagt. Foto: Stephen Finn – Fotolia